Das linkslackierte rechte VT-Magazin «Rubikon» promotete gestern die «auf evidenzbasiertes Arbeiten spezialisiert(e)» «Sozialpsychologin Katy Hilander» mit dem Artikel «Das größte Experiment der Geschichte»: «über psychologische Kriegsführung und Wege der Versöhnung» - und gleich darauf heute ein Promotionsvideo vom «langjährige Arzt, Politiker, Korruptionsbekämpfer und Bestseller-Autor Dr. Wolfgang Wodarg» für seinen in demselben Rubikon-Verlag erschienenen «Bestseller „Falsche Pandemien — Argumente gegen die Herrschaft der Angst“».

Ursprung evidenzbasierter moderner Medizin

Hilander: «Der Arzt Ignaz Philipp Semmelweiß, der als Urvater der evidenzbasierten Medizin gilt, würde sich mit Sicherheit im Grab umdrehen, wenn er miterleben müsste, wie Ärzte sich dazu anstiften lassen, Menschen zu Opfern einer klinischen Studie zu machen.» Semmelweiß erlangte posthum Berühmtheit, weil er das damalige Massensterben von Müttern im Krankenhaus am Kindbettfieber evidenzbasiert analysierte: «Es war bekannt, dass in der Abteilung, in der Ärzte und Medizinstudenten arbeiteten, die durch das Kindbettfieber bedingte Sterblichkeit von Müttern nach der Entbindung wesentlich höher lag als in der zweiten Abteilung, in der Hebammenschülerinnen ausgebildet und keine Leichensektionen vorgenommen wurden.» (Wikipedia).

Seine Lösung des Problems: «So verschärfte er die Vorschriften dahingehend, dass die Hände vor jeder Untersuchung zu desinfizieren seien. Dadurch gelang es ihm, 1848 die Sterblichkeitsrate auf 1,3 Prozent zu senken, ein Wert, der sogar geringfügig unter dem der zweiten Krankenhausabteilung mit Hebammen lag.»

Für die meisten Herren der Schöpfung war das Hände-Desinfizieren zuviel verlangt, «da Hygiene als Zeitverschwendung und unvereinbar mit den damals geltenden Theorien über Krankheitsursachen angesehen wurde. Vielmehr wurde von vielen das Kindbettfieber beispielsweise auf schlechte Luft, das Ausbleiben der Menstruation oder einen Milchstau zurückgeführt.»

Noch heute wird diese patriarchale Geschichte gerne von Frauen rezitiert, wenn es ums Thema Medizin geht.

Wodargs Methode

Wodarg spricht in seinem Werbevideo aus guten Gründen nicht von «Evidenz». Zu Beginn bläht er seine Autorität mit seinen zahlreichen Engagements in Medizin und Politik auf, um dann kraft dieser Autorität eine einzige der «langen» Liste der eingegangenen COVID-Fragen zu beantworten: Ob eine nicht näher genannte neue Totvirenimpfung als «das kleinste Übel» sinnvoller sei als die bekannten Impfungen.

Wodarg: «Ich glaube, das ist eine Scheinlösung». Minutenlang referiert er dann die «Vorzüge» des menschlichen Immunsystems, mit für Laien eindrücklichen, aber nicht einzuordnenden Fachbegriffen. Rein theoretisch leitet er scheinbar stringent her, dass die Menschheit schon immer ausreichend immun war gegen SARS-CoV-2. Zur Wiederholung: rein theoretisch! Wortreich ignoriert er die empirische Evidenz, dass es irgendwann ein Problem gegeben haben könnte mit dem vielfach dokumentierten Erstickungstod Infizierter (auch dann, wenn Intensivmedizin zur Verfügung stand). Faktisch leugnet er damit diese Evidenz, er praktiziert lehrbuchmässig das exakte Gegenteil von «evidenzbasiert».

Wodarg unterscheidet sich damit evident in nichts von den abertausenden von Ärzten, die bis weit ins 20. Jh. hinein sich weigerten, vor dem Herumhantieren in Frauenleibern sich nur schon die Hände zu waschen. Mit derselben Hartnäckigkeit leugneten diese Autoritäten die Evidenz der Müttersterblichkeit im Kindbett, mit der heute die «evidenzbasierten» Corona-Pandemieleugner*innen die Evidenz der Pandemie leugnen.

Geschäftsinteresse, rechtsradikal

Mit einem Unterschied: Diese heutigen Geschäftsleute leugnen nicht nur wie andere Werbefuzzis bewusst aus Geschäftsinteresse, sie berufen sich dabei leugnend zitierend auf die bekannte Geschichte ärztlicher Evidenzleugung. Sie bedienen sich dabei der in der heutigen rechtsradikalen Publizistik weit verbreiteten Technik der radikalen Umkehrung: So wie etwa der rechtsradikale Martin Sellner in seinem Streben nach «kultureller Hegemonie» auf den linken Gramsci sich beruft, beruft Hilander in ihrer Evidenzleugnung sich auf den Begründer der evidenzbasierenten Medizin. Die Lüge in dieser taktischen Umkehrung ist offensichlich kommerziell erfolgreich.

Der Grund von Hilanders Auftritt im «Rubikon» ist evidentes Geschäftsinteresse: «Neben Psychologen, Statistikern, wissenschaftlichen Assistenzen, Journalisten sowie einer Bürokraft wird auch eine Juristin/ein Jurist fixes Teammitglied sein. Diese/dieser wird für den Kontakt mit den Juristen und den weltweiten „Vertrieb“ zuständig sein und auch als Ansprechperson agieren. (…) Da es sich für alle im Team praktisch um einen Vollzeitjob handelt, muss die Finanzierung weitestgehend im Vorfeld gesichert sein, weshalb ich auf eine rasche Finanzierung über Spenden hoffe, damit wir mit der notwendigen Intensität und Konzentration loslegen können.» Entsprechend promotet sie sich selbst in Ton und Bild auch auf dem offen rechtsradikalen österreichischen «AUF1.tv»