Wie in einem Brennglas zeigt sich die Nazi-Filterblase, in der die «Neulandrebellen» leben, in den Kommentaren zum ihrem Hassposting «Das neue Selbstbestimmungsgesetz als großer gesellschaftlicher Wurf?1»:

2 Geschlechter, 72 Jungfrauen

«Wütender Bürger» eröffnete mit: «Hmmm… Ich frage mich, ob es Zufall ist, daß die angebliche Zahl der Geschlechter mit der Zahl der Jungfrauen übereinstimmt, die auf islamische Attentäter im Paradies warten…» - und Blogschef Tom J. Wellbrock pflichtet bei (mit intellektuellem Mittelinitial, welches angeblich statistisch die Glaubwürdigkeit erhöht, obwohl er nach eigenen Angaben im Podcast den Vornamen «Jörg» hasst – aber die amtliche Kontoinhaberbezeichnung für den erbetenen Spendengeldzufluss ist ihm dann doch wichtiger):

«De Frage habe ich mir auch schon gestellt.» Der Wutbürger doppelt nach: «Gut, daß Du es nicht im Beitrag getan hast! Schlimm genug, wenn man als Kommentator von den Zensur-Fetischisten bei WordPress für solch eine Äußerung zensiert wird, aber uns allen wäre ein wundervolles Beispiel für gepflegte Debattenkultur vorenthalten geworden, wenn dieser Podcast gesperrt worden wäre.»

Die Antwort liegt auf der Hand: Im ellenlangen Smalltalk-Podcast erörtert Roberto J. De Lapuente (aus denselben Gründen mit intellektuellen Mittelinitial) zur Frage: «Gibt es 72 Geschlechter?», es komme darauf an, wo man schaue. Er hat offensichtlich viele, viele Nazi-Outlets abonniert, und die sind sich untereinander in ihrer Hassfiktion nicht einig (und es handelt sich um eine reine Fiktion von rechts, niemals wurde eine zweistellige «Anzahl von Geschlechtern» behauptet, sondern eine eben gerade nicht zu benennende Kontinuität).

De Lapuentes Nachdoppelung im bekannten Duktus von «Kinder, die unschuldigen Kinder!» auf leisen Widerspruch von «Lisbeth» hin ist ebenfalls aus unzähligen Nazi-Outlets abgeschrieben: «Sie tun es ja nicht mit sich selbst – sie ideologisieren Debatten. Und was mit Minderjährigen geschieht, hat nichts von Selbstbestimmung. Wer das leugnet nimmt in Kauf, dass eine Generation verwirrter junger Menschen entsteht. Aber hey, Hauptsache du hast deine Ideologie unter die Leute gebracht.»

Was diese Kämpfer unter «gepflegter Debattenkultur» verstehen, hat Sascha Wuttke in seinem überlangen, von den Neulandrebellen empfohlenen2 Geseiere3 «…und plötzlich waren wir Schwurbler» auf den Punkt gebracht: «Ich könnte auch noch so oft wie möglich versuchen, meine Absichten als demokratisch legitim zu verkünden – sie würden es mir nicht abnehmen geschweige denn den Raum geben, es unwidersprochen einer Debatte zuzuführen.» - die contradictio in terminis der autoritären «unwidersprochenen Debatte» fällt solchen stahlharten Kämpfern in ihrer Filterblase gar nicht auf, den er ist der Kern ihres politischen Hassprogramms – der Hass gegen die Linke.

Niklas Luhmann hat in seiner funktional-strukturalistischen Systemtheorie die autopoietische Genesis und Erhaltung von Systemen in etwa so beschrieben: Systeme fussen auf einer binären Differenz, welche die Systemgrenze festlegt und stabilisiert. Im Fall des Systems der sich selbst als solche bezeichnenden «alternativen Medien» ist die binäre Differenzierung «Hass auf die Linken» / «Linke» (bei Wuttke: Gerhard Schröder habe «die politische Landschaft regelrecht auf links gedreht»). Ersteres ist das Innen, Zweiteres das Aussen dessen, was sich damit selbst als System konstituiert.

In diesem Sinne ist es aus linker Perspektive theoretisch fundiert angezeigt, das ganze System monolithisch als «der Nazidreck» zu bezeichnen, das Individuum als Teil dieses Systems (im von ihnen selbst gewünschten generischen Maskulin) als «der Drecknazi».

Nachtrag 20.7.

Psiram zu den «Neulandrebellen»4: «Dieser weitgehend unbedeutende Polit-Blog fand bislang keine erkennbare Rezension in deutschsprachigen Medien (Stand 2022).» Hoffentlich, obwohl er ständig von den bekannten, zu Beginn mal linken, heute offen mit dem Rechtsextremismus kokettierenden «Nachdenkseiten»5 beworben wird.

Heute publizierte Tom J. Wellbrock eines seiner beliebten theatralisch inszenierten Hassvideos6, und der bewusst gesäte Hass stösst wie beabsichtigt im Forum auch beim Notorischen «Uwe Borchert» auf Resonanz: «Und das Fordern und Fördern von jeder Art von Auseinandersetzung, egal ob bewaffnet oder unbewaffnet, ist in meiner Moral verabscheuenswürdig und sollte harte, gerne auch körperliche, Sanktionen nach sich ziehen. Jaja, ich habe da einen bedenklich humanistischen Wertekanon.»

Entscheidend ist die (im Forum häufig anzutreffende) explizite Gewaltandrohung gegen rationale Kritiker:innen wie «Lisbeth» im Gewand eines «humanistischen Wertekanon». Die Forenten praktizieren konsequent die global praktizierte rechtsradikale Strategie der Umkehrung - Und der (nach wiederholten eigenen Angaben «nicht zensierende», sich genau damit als notorischer Lügner outende) Tom J. Wellbrock droht in genau dieser strategischen Umkehrung «Lisbeth» mit (in ihrer eigenen Diktion) Zensur:

Das Problem sind nicht die Fakten an sich, sondern euer extrem (freundlich formuliert) ‚abweichender‘ moralischer Wertekanon zur Bewertung dieser Fakten in Hinsicht auf den Krieg.

Du hast zwei Möglichkeiten:

  1. Du bringst durch Fakten untermauerte Argumente.
  2. Du bist raus.

Deine pauschalen, abwertenden und inhaltlosen Kommentare lasse ich nicht weiter zu.

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